Die Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule gelten als typische klinische Zeichen des Klippel – Feil – Syndroms (KFS), finden sich aber bei weniger als der Hälfte der Betroffenen. Der Umfang der Beweglichkeit bleibt oft überraschend groß. Eine Therapie ist bei geringer Ausprägung der Fehlbildungen oft nicht notwendig und betroffene Kinder können ein weitgehend normales Leben führen. Wenn im Erwachsenenalter Beschwerden auftreten, reichen oft konservative Maßnahmen aus.
Die Veränderungen der Halswirbelsäule haben eine gute Prognose bezüglich der Lebenserwartung. Ich bin damit inzwischen einundsiebzig Jahre alt geworden und befinde mich in bester Gesellschaft mit Tutanchamun und Cardinal Carlo de‘ Medici.
Röntgenaufnahme der Mumie des Pharaos haben ergeben, dass er unter einer abnormen Krümmung der Wirbelsäule litt sowie Anzeichen des Klippel Feil-Syndroms aufwies. Tutanchamun dürfte auch mit Hörstörungen, Zahnfehlbildungen und Bewegungseinschränkung gekämpft haben. Zudem litt er vermutlich unter Migräne.
Carlo de‘ Medici (1595-1666) war der dritte Sohn von Ferdinand I. und Cristina von Lothringen und strebte schon früh eine kirchliche Laufbahn an, die mehr als fünfzig Jahre dauerte, in denen er in verschiedene prestigeträchtige Positionen berufen wurde. 1615, im Alter von 20 Jahren, wurde er unter Papst Paolo V. zum Kardinal und 1652 zum Dekan des Kardinalskollegiums ernannt. Carlo liebte jedoch die Vergnügungen des Lebens; seine Lieblingsbeschäftigungen waren die Jagd, das Schlemmen, das Glücksspiel. Er war ein leidenschaftlicher Liebhaber der Musik und des Theaters, er sammelte Kunstwerke und ließ einige der Medici-Residenzen restaurieren und neu ausstatten.
Das Skelett von Carlo zeigte eine Konzentration von verschiedenen schweren Pathologien. Die Ankylose der zervikalen Säule, verbunden mit anderen Gesichts- und Wirbelsäulenanomalien, legt die Diagnose einer angeborenen Krankheit nahe: das Klippel-Feil-Syndrom. Außerdem zeigt das zervikale Segment die Folgen der Tuberkulose (Morbus Pott), an der der Kardinal im Säuglingsalter litt. Das postkraniale Skelett zeigt eine überwiegend symmetrische und äußerst schwere ankylosierende Erkrankung, die sowohl die großen als auch die kleinen Gelenke betraf und durch massive Gelenkverschmelzungen gekennzeichnet war, die den Kardinal in seinen letzten Lebensjahren vollständig behinderten
Ab 1658, als er 63 Jahre alt war, war er nicht mehr in der Lage, Briefe oder Dokumente zu unterschreiben. In einem Brief an einen Neffen vom 4.12.1658 schreibt er: » … bitte entschuldigen Sie, dass ich nicht mit meiner eigenen Hand (Schrift) unterschreiben kann, da meine Hand nicht funktioniert.« Vom 50. bis zum 70. Lebensjahr war der Kardinal von wiederkehrenden Bronchitiden geplagt und starb schließlich im Alter von 71 Jahren an einer Bronchopneumonie.
Dass die Hand nicht funktioniert, ist eine Gemeinsamkeit zwischen Carlo und mir. Bei mir tritt dies bisher zum Glück nur phasenweise auf; hatte jedoch Folgen: Ein Buchprojekt, für das ich einen Verlagsvertrag hatte, musste ich aufgeben. Mit dem Schreiben für Zeitungen und Magazine ist es auch vorbei. Depressive Phasen, die das auslöste, sind überwunden. Wenn ich heute nicht schreiben kann, greife ich zum Smartphone und diktiere. Korrekturen am Rechner bearbeite ich, wenn schreiben wieder geht.
Literatur und Quellen:
»Tutanchamun hatte ein krummes Kreuz« Der Spiegel 01.10.2002
V. Giuffra, A. Vitiello, S. Giusiani, A. Fornaciari, D. Caramella, N. Villari, G. Fornaciari: »Rheumatoid arthritis, Klippel-Feil syndrome and Pott’s disease in Cardinal Carlo de’ Medici (1595-1666)« in Clinical and Experimental Rheumatology 2009; 27: 594-602
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