Unser Krieg: Nur die Wahrheit – unsere Wahrheit

Ich war ein strikter Gegner das NATO Beitritts von Montenegro, der Heimat meiner Vorfahren. Bis zum 24. Februar meiner persönlichen »Zeitenwende«; ich bin heilfroh, dass Montenegro in der NATO ist – bleibt uns vielleicht ein Kriegsschauplatz erspart?

Beim Bundeskongress des AUSS (Aktionszentrum unabhängiger und sozialistischer Schüler) in Frankfurt 1967 habe ich eine Spendensammlung mit angeleiert, Fahrräder für den Vietkong. Soweit meine Erfahrung mit Waffenlieferungen.

2001 nach dem 11. September arbeitete ich im Max-Planck-Institut für Völkerrecht in Heidelberg in der Bibliothek. Die Regierung Schröder/Fischer holte sich bei den Völkerrechtlern vom Max-Planck-Institut eine Expertise über die Beteiligung der Bundeswehr am Irak Krieg und lehnte ab. Ich war aktiv daran beteiligt, dass die Bundeswehr nicht in den Irak entsandt wurde; schließlich habe ich für meinen Chef die Verträge und Vereinbarungen aus dem Magazin geholt, nach denen er sein Gutachten erstellt hat.

Ich wohne im Landsknechtweg, auf der anderen Straßenseite ist eine Frau aus der Ukraine mit ihrem Sohn privat untergekommen. Die Nachbarn sind in der DDR zur Schule gegangen und können noch russisch. Ein paar Häuser weiter sind acht Leute aus der Ukraine untergekommen, Frauen und Kinder. Mit zwei von den Jungs spiele ich ab und zu ihren Fußball zu und lasse sie den Hund streicheln. Kann ich noch was tun für den Weltfrieden???

Es gibt sehr viel Empathie für Flüchtlinge aus der Ukraine. Die Neurowissenschaftlerin Tania Singer, Forschungsgruppenleiterin Soziale Neurowissenschaften der Max-Planck-Gesellschaft, warnt vor Gefahren durch zu viel Empathie und erklärt den Unterschied zum Mitgefühl:

Empathie bedeutet, dass man mit dem anderen mitschwingt, sich einfühlt. Sie ist die Fähigkeit der emotionalen Resonanz. Wir sehen Bilder von den Flüchtlingen, von ihrem Leid, und uns kommen die Tränen. Das ist eine empathische Reaktion. Empathie muss sich nicht auf ein negatives Gefühl beziehen, man kann auch mit der Freude des anderen mitschwingen. Mitgefühl dagegen bezieht sich immer auf Leid, es ist aber eine ganz andere Reaktion. Mitgefühl entspringt einem evolutionär sehr alten »Care – System« in uns, es hat mit Fürsorge, Wärme und Liebe zu tun. Man leidet nicht mit, man hat eine starke Motivation zu helfen und verspürt oft positive Emotionen.

Wenn ich Menschen leiden sehe und Empathie empfinde, dann werden Netzwerke im Gehirn aktiviert, die auch aktiv sind, wenn ich selbst leide. Das sind Netzwerke, die mit dem Alarmsystem zu tun haben, mit negativen Emotionen und Schmerz. (Beim Mitgefühl) werden dieselben Netzwerke aktiv wie beim Anblick einer geliebten Person, etwa des eigenen Kindes. Dieses System ist ein sehr altruistisches System.

Wenn ich zu sehr mitleide, wenn die Trennung zwischen mir und dem anderen verschwimmt und das Leid des anderen sich anfühlt wie meines, kann das auch zu empathischem Stress führen. Menschen, die vielleicht traumatisiert waren und plötzlich mit dem Trauma anderer konfrontiert werden, sind dafür besonders anfällig. Man muss nicht mal selbst etwas Schlimmes erlebt haben, Traumata werden auch über die Generationen weitergegeben, etwa die Erfahrungen unserer Großeltern im Zweiten Weltkrieg. Wenn einen Spuren dieser Erinnerung überfluten, kann man sich eigentlich nur noch zurückziehen und sich erst mal um sich selbst kümmern. Dies nennen wir das Selbstmitgefühl.

vergleiche Lang-Lendorff, Antje: „Hilfsbereitschaft für Geflüchtete: ‚Empathie ist fragil‘“, in: Tagesztg. Taz (2022), https://taz.de/!5843024/ (abgerufen am 03.04.2022).

Schlimme Nachrichten können uns in einen Zustand versetzen, den der US-Psychologe Martin Seligman »erlernte Hilflosigkeit« nennt. Es reicht schon, wenn wir im Fernsehen andere hilflose Menschen sehen, etwa weinende Bombenopfer, um uns selbst ohnmächtig zu fühlen. Wir werden passiv, vielleicht sogar depressiv, unsere Hilfsbereitschaft sinkt.

Bei Bedrohungen, sei es unmittelbar oder über Medienbilder, kennt es nur drei Reaktionsweisen: Flüchten, Angreifen oder Erstarren. In allen Fällen schütten die Nebennieren Stresshormone aus, Adrenalin und Cortisol, das Herz schlägt schneller, Körper und Muskeln bereiten sich auf Flucht oder Angriff vor. Ein Trauma ist ein Erstarrungszustand. Das Nervensystem bleibt in der Übererregung hängen und kann nicht mehr entspannen. Aktiv zu bleiben ist hier die beste Vorbeugung: demonstrieren, protestieren, Geflüchtete aufnehmen, Geld spenden, je nach Möglichkeit.

siehe: Scheub, Ute: „Psychische Belastung und Selbsthilfe: Was jetzt helfen könnte“, in: Tagesztg. Taz (2022), https://taz.de/!5845337/ (abgerufen am 03.04.2022).

Ich gehe nachher mit dem Hund raus. Vielleicht treffe ich die Jungs mit ihrem Fußball.