Erinnerungskitsch

Erinnerungskitsch zum 1.

Eine Bibliothek ist seit der Antike ein »Buch-Behälter«, zumindest dem Wortsinn nach βιβλιοθήκη. In der Bibliothekswissenschaft gibt es unterschiedliche Definitionen; eine häufig gebrauchte moderne stammt von Gisela Ewert und dem mir noch persönlich bekannten Walter Umstätter. »Die Bibliothek ist eine Einrichtung, die unter archivarischen, ökonomischen und synoptischen Gesichtspunkten publizierte Information für die Benutzer sammelt, ordnet und verfügbar macht.« 1

In Mannheim ist das natürlich anders. Eine Pressemitteilung vom 9. März 2022 definiert:

»Bibliothek als Ort der Demokratisierung und rassismuskritischer Bildungsarbeit. Die Mannheimer Stadtbibliothek ist Begegnungsraum und Ort für demokratische und rassismuskritische Erinnerungsarbeit. In einer themenspezifischen Führung durch die Zentralbibliothek im Stadthaus N1 in Kooperation mit dem Antidiskriminierungsbüro Mannheim e.V. am Donnerstag, 17. März, 16 bis 18 Uhr, werden etwa diskriminierungssensible Bibliotheksarbeit, Mediennutzung, Rassismus in klassischer und moderner Literatur beleuchtet. Auch die hausinterne Medienausstellung »Rassismus« ist eine Station und es werden Tipps zur Informationssuche zum Thema gegeben. Die Veranstaltung findet unter Beachtung der geltenden Hygienevorschriften der aktuellen Corona-Verordnung statt.«

Quelle: Mehr als nur Bücher

1Gisela Ewert, Walther Umstätter: Lehrbuch der Bibliotheksverwaltung. Hiersemann, Stuttgart 1997, S. 10

Erinnerungskitsch zum 2.

In Mannheim entsteht ein Erinnerungs- und Würdigungsort für Mannheimer »Gastarbeiter*innen«, der zur Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Geschichten von »Gastarbeiter*innen« und ihren Familien einlädt.

»Wir freuen uns, dass endlich in Mannheim ein solcher Erinnerungsort für »Gastarbeiter*innen« und ihre Familien entsteht. Eine Anerkennung ihrer Lebensleistung aber auch das Eingestehen ihrer Leiden.« betont die Vorsitzende des Migrationsbeirates. »Das Denkmal ist der Anfang, diese Zeit aufzuarbeiten. Die »Gastarbeiter*innen« haben Mannheim mit aufgebaut und das sollte nie in Vergessenheit geraten.«

Quelle: Ein lebendiger Ort der Erinnerung

Es kamen in den 60ger Jahren »Gastarbeiter« keine »Gastarbeiter*innen«. Die Ehefrauen und Kinder blieben zu Hause und wurden nachgeholt. Sie wohnten anfangs in Baracken und dubiosen Sammelunterkünften; das ist heute mit den Osteuropäern, die in der Fleischindustrie arbeiten, nicht anders.

» … das Eingestehen ihrer Leiden« dieser wohlfeile Erinnerungskitsch verharmlost Zwangsarbeit.

Was ist mit denen, die im 17. Jahrhundert für Kurfürst Friedrich IV. Mannheim aufgebaut haben?