Bevor mir die derzeitige Debatte um die Covid-19-Pandemie völlig aus dem Ruder läuft, nicht nur öffentlich sondern auch privat, hilft vielleicht die Besinnung auf Grundbegriffe der Logik. Da fängt es schon an. Es gibt verschiedene Logiken.
Die Aussagenlogik, die sich mit der Wahrheit oder Falschheit von Aussagen beschäftigt.
Die Prädikatenlogik, die sich dem gemeinten Bedeutungsinhalt (Intension) widmet; dann bliebe noch die Klassenlogik, die sich um den Beutungsumfang (Extension) der Begriffe kümmert.1
Es gibt Unterschiede, die Unterschiede machen.
Welches ist der Unterschied zwischen einem Krokodil? Im Wasser schwimmt es, an Land läuft es.
Welches ist der Unterschied zwischen einem Nilpferd? Da gibt es keinen Unterschied.
Welches ist der Unterschied zwischen einem Krokodil und einem Nilpferd? Beim Krokodil gibt es einen Unterschied, beim Nilpferd keinen.
Will man verrückte Denk- und Kommunikationsstrukturen mit ihren von der Normalität abweichenden Unterscheidungen, ihrem erhöhten oder erniedrigten konnotativen oder denotativen Gehalt erklären, so stellt sich die Frage nach den Mechanismen und der Dynamik der Einengungen und Ausweitung von Bedeutungen, dem Ziehen neuer und dem Auflösen alter Grenzen.
Verrücktheit ist nicht allein durch das inhaltliche sondern das formale Verlassen des konsensuellen Bereichs charakterisiert. Der Missbrauch der Psychiatrie beginnt dort, wo jemand wegen seiner formal konsensfähigen, inhaltlich aber abweichenden Meinung für verrückt erklärt wird. Das gilt nicht nur für die Psychiatrie sondern auch für die aktuelle Debatte, wann ist ein Ungeimpfter ein Impfskeptiker, ein Impfgegner oder einfach nur ungeimpft? Es geht um das Bedeutungsspektrum eines Begriffes.
Die Einengung und Differenzierung eines Begriffes erklärt am Prozess des kindlichen Spracherwerbs. Alle Tiere werden beispielsweise als »Wauwau« bezeichnet; es gibt »Wauwaus« mit vier Beinen, auf denen man reiten kann und es gibt welche, die Milch geben. Es gibt »Wauwaus«, die fliegen können und welche, die nicht fliegen können. Die Gruppe der »Wauwaus« erhält eine Untergruppe die »Gagacks«. Alle »Gagacks« sind »Wauwaus«. Aber es gibt »Wauwaus«, die keine »Gagacks« sind. Kann man in der aktuellen Debatte bitte zumindest diesen kindlichen Ansatz der Differenzierung berücksichtigen?
1vgl. Simon, Fritz B.: Meine Psychose, mein Fahrrad und ich: zur Selbstorganisation der Verrücktheit, 7. Aufl Aufl., Heidelberg: Auer 1999 S.109 ff.