Bikkur Cholim?

»Jeder ist zur Erfüllung der Mizwa des Bikkur Cholim verpflichtet, auch der Große (eine hochgestellte Persönlichkeit) soll den Kleinen (sozial niedrig gestellt) besuchen. Man soll die Kranken mehrmals am Tag besuchen, und jene, die die Mizwa noch häufiger erfüllen, sind rühmenswert. Sie sollen aber steht darauf achten, den Kranken nicht durch ihre Besuche zu stören und unnötig zu belasten. Jeder, der einen Kranken besucht, nimmt jenem einen Teil seiner Krankheit und mildert dessen Leiden. Alle, die die Kranken nicht besuchen, sind welche, die Blut vergießen.«

Moses Maimonides, Mischne Tora, Sefer Schoftim, Hilchot Avel, Kapitel 14,4

Gemeinsame Meldung von Theresienkrankenhaus und St. Hedwig-Klinik, Diako Mannheim und Universitätsklinikum Mannheim: Besuchsregelungen ab dem 19.04.2022

Nach dem Rückgang der Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nutzen das Universitätsklinikum Mannheim, das Theresienkrankenhaus und das Diako Mannheim die aktuellen Vorgaben des Landes Baden-Württemberg, um Besuche bei ihren Patienten wieder zu ermöglichen. Ab Dienstag, 19. April, sind wieder Besuche in den Mannheimer Akutkrankenhäusern unter bestimmten Rahmenbedingungen möglich.

Zum Schutz der Patienten und Mitarbeiter in den Kliniken müssen folgende Regeln eingehalten werden: Jeder Patient, der auf einer Normalstation behandelt wird und nicht selbst SARS-CoV-2-positiv ist, kann ab dem 6. Tag seines Klinikaufenthaltes täglich zwischen 13 und 19 Uhr einen maximal zweistündigen Besuch empfangen. Dabei soll möglichst immer der gleiche Besucher kommen. Während des gesamten Besuchs muss eine FFP2-Maske getragen werden.
In besonderen Fällen sind in Absprache mit der Stationsleitung spezielle Besuchsregelungen möglich, z.B. für werdende Väter, Eltern von erkrankten Kindern oder für Angehörige sterbender bzw. schwerstkranker Patienten.

Besucher müssen negativ auf SARS-CoV-2 getestet sein. Auf Verlangen ist dafür ein Nachweis über einen höchstens 24 Stunden alten Antigen-Schnelltest oder einen höchstens 48 Stunden alten PCR-Test vorzuweisen, eine Testung vor Ort ist grundsätzlich nicht möglich. Anhand eines Selbstauskunftsbogens muss sich jeder Besucher außerdem selbst auf Risiken für eine SARS-CoV-2-Infektion überprüfen. Der Selbstauskunftsbogen ist auf der Homepage der jeweiligen Klinik aufrufbar, bzw. an den Eingängen erhältlich und muss auf Verlangen vorgezeigt werden.

Diese Regelungen sollen eine gute Balance zwischen den positiven Wirkungen von Besuchen und dem gleichzeitig weiter notwendigen Schutz von Mitpatienten und Mitarbeitern gewährleisten.

Es geht um Würde und Freiheit

[Samstag, 23. April 2022] In der »Neuen Zürcher Zeitung« ist heute ein Interview mit Gret Haller zum Thema Widerspruchslösung bei der Organspende. Die Schweiz entscheidet darüber am 15. Mai in einem Referendum.
Die Juristin Gret Haller war Nationalratspräsidentin für die SP und in den neunziger Jahren Ombudsfrau für Menschenrechte in Sarajevo.
Sie habe sehr früh gemerkt, dass es bei der Widerspruchslösung vordergründig um Organspende aber in Wirklichkeit um etwas sehr Grundsätzliches geht, um Freiheitsrechte.

»Was diese Gesetzesrevision will, das darf der Staat nicht machen. Der Staat hat die Aufgabe, die Freiheitsrechte des Individuums zu schützen, und körperliche Integrität ist darunter eines der wichtigsten. Freiheitsrechte muss man nirgends anmelden, man hat sie bedingungslos. Wenn der Staat sagt, er schütze die körperliche Integrität nur dann, wenn dies vorher ausdrücklich gewünscht worden sei, dann verletzt er damit die Freiheitsrechte bereits.«

Frau Haller betont, ihr Leben sei stark von dem Einsatz für Grundrechte geprägt; vor allem durch ihre Erfahrungen in Sarajevo.

»Nach dem Krieg argumentierten in Bosnien viele, den Angehörigen einer anderen ethischen Gruppe stünden Menschenrechte gar nicht mehr zu, weil sie Angehörige der eigenen ethnischen Gruppe umgebracht hätten. Da musste ich immer wieder erklären, dass Menschenrechte nur dann etwas wert sind, wenn sie für alle und bedingungslos gelten.«

Mit der Widerspruchslösung würde der Staat Menschen »zu Lebzeiten zwingen, ein Recht abzurufen, das dann im Verlauf des Sterbeprozesses greifen würde. Aber der Staat darf das Individuum nie in eine Situation bringen, in der es seine Grundrechte verlangen muss.«
An Frau Hallers Argumentation erkennt man sehr deutlich, dass sie für vier Jahre Kommissionsmitglied der »Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht« des Europarates gewesen und sei 2014 Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Außenpolitik ist.
Bei der Interessenabwägung zwischen automatischer Organspende und dem Empfänger des Organs zieht sie einen bemerkenswerten Vergleich.

Warum wurde in Guantánamo gefoltert? Weil die Amerikaner sagten: «Das Interesse der Amerikaner, keinen Terrorakten ausgesetzt zu sein, ist so groß, dass wir Leute foltern müssen.» Aber Menschenrechte lassen eine solche Argumentation nicht zu. Auch Terroristen haben Menschenrechte. Im Bereich der Grundrechte darf es keine Abwägung von Interessen geben. Übersetzt auf die Abstimmung (zur Widerspruchslösung), bedeutet das: Ein neues Herz zu bekommen, ist kein Grundrecht. Körperliche Integrität hingegen sehr wohl.

In Sarajevo begriff ich, dass die Amerikaner nicht mein europäisches Verständnis von Rechtsstaatlichkeit hatten. Menschenrechte sind für sie ein politisches Instrumentarium, um die Welt zu dominieren. Im europäischen Verständnis sind Grundrechte mit Gleichheit verknüpft und bedingungslos.

Ich bin an einem kleinen Forschungsprojekt an der Universität Konstanz beteiligt, wo es auch um die Frage geht: Gibt es in der Europäischen Union eine europäische Identität? Je mehr ich darüber lese, desto mehr vermute ich, dass es das gar nicht geben sollte. Es ist ganz wichtig, dass die Leute ihre politischen Kulturen behalten dürfen, diese aber in jenen der anderen Mitgliedstaaten spiegeln.

In Sarajevo waren es dann die Unterschiede zwischen Europa und Amerika. Ich wusste immer, was für ein Vorteil es ist, fremd zu sein, fremd bleiben zu dürfen. Unterschiedlich zu sein, unterschiedlich bleiben zu dürfen und trotzdem die gleiche Würde zu haben, darum geht es mir.

Als die russischen Streitkräfte am 24. Februar die Ukraine überfielen, kamen bei mir die Erinnerungen an Sarajevo und die Jugoslawien Kriege hoch. Bleibe ich bei Gret Haller, dann steht Europa und die Ukraine im Zangengriff russischer und amerikanischer Interessen. Mit Waffenlieferungen alleine ist es nicht getan; auch eine neutrale Ukraine kann nicht das Ziel sein.

Quelle: Tanner, Samuel: „Gret Haller: «Ein neues Herz zu bekommen, ist kein Grundrecht»“, in: Neue Zürcher Zeitung (2022), https://www.nzz.ch/schweiz/gret-haller-ein-neues-herz-zu-bekommen-ist-kein-grundrecht-ld.1680609 (abgerufen am 23.04.2022).